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Im Wirtshaus ist die Flucht zu Ende…

Jun 27, 2022

Bleibt jetzt alles fix offen ? Kann man wieder Konzerttouren planen ? Oder muss man wieder befürchten dass alles ins Wasser fällt, weil nächsten Herbst die wievielte-war-es-nochmal Welle einem am Horizont entgegenreitet und die Luft aus den Reifen des Tourbusses nimmt ?
Und falls der Covid Tsunami ausbleibt, sind es dann eh vielleicht die Spritpreise die die nächste Reise lahmlegen, oder die Inflation, die alles teuer macht, nur nicht die eigenen Gagen, die sich seit etwa 15 Jahren nicht erhöht haben ?
Oder wird man sich eh bald auf 5 Beinen fortbewegen weil sich wegen dem Irren ein paar Länder weiter östlich dann doch die eine oder andere Sprengkapsel selbständig gemacht hat, und so ein kleiner Fallout ja auch positive Mutationen zur Folge haben könnte ?
Also immer optimistisch bleiben, wurscht was kommt, und auch mal das Gute sehen.
Vielleicht kommen wir ja endlich mal alle weg vom Gas, dem Klima würde es sicher nicht schaden, heute hatte es 36 Grad, und der Juli hat noch gar nicht angefangen.

Seit ich 15 Jahre alt bin, begleitet mich der permanente Wunsch, abhauen zu wollen.
Mittlerweile bin ich soweit erwachsen, dass ich mich mit einer gewissen Auswegslosigkeit der man nicht entkommt, arrangiert habe.
Ja, nichtmal Bezos, oder Musk schaffen die Flucht, da können die noch so viel Geld am Konto haben, oder Menschen transportierende Shuttles bauen. Auch die kommen hier nicht weg von der Welt. Und es erfüllt mich – obwohl ich selten schadenfroh bin – immer wieder mit Genugtuung wenn ich bemerke, dass man sich für Geld eben auch nicht alles kaufen kann, und weder im Geiste noch in real überall hinkommt wo man hin möchte, weil irgendwann ist es halt nunmal für jedem von uns zu Ende.

Im Wirtshaus ist die Flucht zu Ende.

Und das ist doch schön, oder ? Die Vorstellung vom Wirtshaus als dem letzten Ort der Erkenntnis, als Ort der einen zur Besinnung bringt, wo man durchaus mal Tabula Rasa machen kann.
Auch wenn deshalb der Klimawandel jetzt nicht gleich weggeht, aber zumindest darf man psychohygienisch wieder zurück auf den Boden finden.

Als ich mit schwangerer Frau von Wien ins Marchfeld gezogen bin, war das aus kultureller Sicht eine persönliche Katastrofe. Nach und nach haben sich Bänder nach Wien aufgelöst, und in der unmittelbaren Umgebung am neuen Wohnort gab es nichts, ausser viel schöner Natur und der Pfarrgruppe – wobei mich die frustrierende Zusammenarbeit mit letzterer dann dazu veranlasst hatte, trotziger Satanist zu werden. Aber man muss der Gruppe zugute halten, dass der Kuchen vorzüglich war – wenn christliche Frauen etwas besonders gut können, dann ist es das Backen von Süßspeisen. Und auch wenn die Zusammenarbeit mich einiges an Nerven gekostet hat – vielleicht ist es ja keine Schande wenn ich als Atheist nicht unbedingt mit den Motiven der Pfarrgruppe klarkomme – so konnte ich selbst dort teilweise meinen freundlich gesinnten Bekanntenkreis erweitern, und zumindest mit dem Dorf ärztlichen Ehepaar verstehe ich mich gut, also was will man mehr.

Ausserdem hatte ich dann ein Wirtshaus gefunden, vierzig Autominuten weit entfernt, in Zwerndorf, einem Ort nahe der Grenze zur Slowakei. Mitten zwischen biologischen Äckern und nicht ganz biologischer Landwirtschaft, irgendwo im Nichts, betreibt hier ein alter Fischer ein Wirtshaus und seine Küche, sofern er denn Lust hat zu kochen, wäre mindestens drei goldene Hauben wert.
Ein feinsinniger Mann, dessen subtiles Verständnis nicht nur der Zubereitung von Speisen, sondern auch dem Zusammenspiel musikalischer Elemente gilt, so hatte er es selbst Anfang der 70er Jahre auf Platz 2 der österreichischen Charts geschafft.
In dem Wirtshaus gibt es auch eine kleine Bühne, und man glaubt es kaum, hier, mitten im rauen Osten, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, weil sie zwischen den Rädern einer rollenden Spinat Erntemaschine ihr Leben lassen mussten, hier waren bereits Legenden wie Willie de Ville aufgetreten.

Oder Brian Auger, der wundervolle Mandozino Orgelspieler der Musikgruppe The Animals, die mit House of The Rising Sun einen Welthit hatten. Der ist gleich zweimal hier aufgetreten.

Und nachdem in diesem Wirtshaus auch meine Flucht fürs erste ihr Ende fand, habe ich meine Clubveranstaltung vom Wiener Gürtel hierher verlegt.
Exil, vielleicht ja. Aber es hat auch seine guten Seiten, zB. arbeite ich heuer in Kooperation mit der Landesausstellung Niederösterreich, und auf der Seite der Kulturvernetzung Niederösterreich kann man sich über die noch ausstehenden Konzerttermine für den Sommer 2022 informieren.


Ob das alles cool ist ? Und was ist mit dem Underground ? Ist hier auch noch irgendwie Punk drin ? Hochkulturell wertvolles ?
Ich habe keine Ahnung, und es ist mir auch völlig wurscht.

Das Essen hier ist jedenfalls fantastisch.

Und ausserdem: Im Wirtshaus ist die Flucht zu Ende.

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