Journal

Son of a Gun

Feb 2, 2021

Es war 2008, mein musikalisches Coming of Age hatte ich bereits hinter mir und die Bühne mein Beruf.
Das Telefon läutete, Anruf aus Tirol: “Möchtest Du mit Sir Tralala im Sommer in Innsbruck im Bierstindl spielen ?” – Der Kollege hatte mich bei einem Konzert mit der Neigungsgruppe: Sex, Gewalt und Gute Laune gesehen. Dort arbeitete ich damals als Geiger. – “Ja, gerne, Sir Tralala spielt bei euch.”
So einfach war das damals. Frei, weitgehend unabhängig, kaum Verpflichtungen. Ich konnte beinahe jederzeit spontan den Ort wechseln, und arbeiten wo man mich haben wollte.
Am Tag des Konzertes am Bahnhof angekommen, läutet das Telefon:”Ich bins, Matthias, ich hab dich gebucht. Es gibt eine Planänderung, komm zum Kreisverkehr am Tivoli Stadion. Wir machen Open Air.” – “Stadion, geil, ja, super, ok…”
Ich setzte mich in den Bus.
“Hei ich bin Matthias. Du spielst unten beim Kreisverkehr. Hier ist die Bühne, dort ist das Bier. Ich mach selber auch Musik, stört Dich eh nicht, wenn ich vor Dir spiele. Wennst magst, kannst bei meinem Konzert Geige mitspielen.”


Ich kannte zwar keinen seiner Songs, aber die Stimmung war gut, das Wetter schön, die Leute nett – und ab ging die Post.
Scheiss auf Stadion, Stadien sind sowieso vor allem für Massen, Gladiatorensklaven und Männer mit kleinem Schnauzbart die auf Hakenkreuze stehen.

…damals nutzte ich jede Möglichkeit, um meine Fähigkeiten zur Improvisation auf die Probe zu stellen. Und die audiovisuelle Aufnahmequalität des Mobiltelefons war auch noch nicht ganz ausgereift. Aber es war wurscht, wir hatten Spass…

Nach der Session bereitete ich mein eigenes Konzert vor, und eben als ich mit dem Intro beginnen wollte, stürmte ein Mann die Bühne, dessen Alter ich versuchte einzuschätzen, was mir jedoch schwer viel, auch deshalb weil er sehr japanisch aussah. Ich bin leider nicht sehr gut darin, das Alter von japanisch aussehenden Menschen einzuschätzen.
Der Mann schnappte sich mein Mikrofon und begann repetitiv unverständliches Zeug zu singen, auf Deutschjapanischenglisch, was weiss ich.
Offensichtlich wollte er, dass ich seinen Gesang begleitete. Ich war unsicher: das war ja mein Sir Tralala Gig, und keine Jam Session – aber irgendwie kam mir der ältere Herr bekannt vor, und auch sein Gesang erinnerte mich an etwas.
Schließlich stellte sich heraus: das war Damo Suzuki.
Die Kraut Rock Ikone der 70er Jahre. Was macht er hier, den kann ich schlecht von meiner Bühne jagen. Also nutzte ich die Chance, und spielte mit ihm mein zweites Konzert an dem Tag. Damo Suzuki, sehr cool.

Damo Suzuki, Sänger der 70er Jahre Krautrock Band Can

Als Damo genug hatte – und das dauerte – spielte ich noch ein kurzes Sir Tralala Set – mein drittes Konzert an diesem Tag.
Es wurde dunkel, Matthias tauchte auf:”So, die Theaterbühne im Bierstindl ist jetzt fertig, wir können aufbrechen. Leider haben wir keinen Tontechniker, ist eh okay, wenn Du Deinen Sound selber mischst ?” – “Äh, ja… passt…”

Es war ein ergiebiger Tag, mein viertes und letztes Konzert dauerte etwa zwei Stunden, und ich war mein eigener Tontechniker, und ich hatte Matthias kennengelernt.

Und nachdem ich damals frei und ungebunden war, meist tun und lassen konnte was ich wollte, stieg ich am nächsten Tag bei seiner Band ein und spielte die Geige auf seinem Album AMRAS , das danach mehr als ein Jahrzehnt auf Veröffentlichung wartete.

… nur drei Wochen nachdem wir uns kennengelernt hatten, eröffneten wir mit Son of a Gun am Poolbar Festival in Feldkirch für Iron & Wine die Bühne, beachten Sie nicht die Qualität der Kamera…

Es war eine leiwande Zeit. Pieter Gabriel aka. 1981 aka. SleepSleep war auch mit dabei.

…mein Lieblingssong von SleepSleep – kaum zu glauben was man aus einer David Hasselhoff Nummer machen kann…

Und dann wurde es noch besser: Matthias verknallte sich ein Girl aus Griechenland, zog nach Athen und es taten sich neue Möglichkeiten auf.
Wir schafften es, mit Unterstützung der österreichischen Botschaft (der Kulturattachee in Athen war ein großer Jazz Fan) eine Verbindung zu etablieren und Geld zu organisieren.
Ich verzichtete auf meine Gagen, und gab das Geld meiner damaligen Plattenfirma, damit auch meine Label Kollegen und Kolleginnen nach Athen fliegen konnten um dort Konzerte zu spielen.
Es blieb nicht bei dem einen Mal. Solange Matthias in Athen lebte und ich frei war, war ich des öfteren am Fusse der Akropolis anzutreffen, wo ich mir neben den regulären Gigs in Bars und auf Empfängen Geld für gegrillten Fisch und ein gutes Glas Wein erspielte.

Zur Erinnerung an diese Zeit hat Son of a Gun nun mehr als eine Dekade später die damaligen Aufnahmen als Album veröffentlicht.


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